Theaterbesuch „Vater hat Lager“

„Vater hat Lager“ – beeindruckende Vorstellung im Gebrüder-Busch-Theater

Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar präsentierte der Gebrüder-Busch-Kreis gemeinsam mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland e.V. die Theaterproduktion „Vater hat Lager“, basierend auf der Erzählung „Vater“ der niederländischen Autorin Carl Friedman. In diesem Ein-Personen-Stück schildert eine Frau, dargestellt von Gilla Cremer, die Erinnerungen an ihren Vater, dem es nicht gelang, seine KZ-Haft zu verwinden, und dessen posttraumatische Belastungsstörung letztlich sein Familienleben so prägte, dass sich sein Trauma auch auf seine Kinder übertrug. Denn egal, ob beim Essen, Spielen, Spazierengehen oder beim Erzählen einer Geschichte – bei jeder alltäglichen Beschäftigung wird der Vater von seinen Erinnerungen heimgesucht, erlebt er in Flashbacks seine Lagerhaft immer wieder. Und so wird den Kindern keine normale Kindheit ermöglicht, ist für sie das unverständliche, unvorstellbare, ominöse „Lager“ allgegenwärtig, sodass sie es mit einer Krankheit gleichsetzen, an welcher der Vater leidet: Vater „hat Lager“ – daher der befremdliche Titel des Stücks.

Immerhin vier Schülerinnen und Schüler der Oberstufe besuchten – als einzige Schulgruppe überhaupt an diesem Abend – in Begleitung von Herrn Krattinger diese nachdenkenswerte und absolut beeindruckende Inszenierung: Enola Gierelt und Amelie Katz (Q2) sowie Leonard Hafer und Timo Weiss (EF). Vor ihren Augen gelang es der 68-jährigen Schauspielerin, durch ihr intensives und sensibles Spiel die erwachsene Frau, die sich an ihren Vater erinnert, ebenso zu verkörpern wie ebendiesen Vater, der sich in seinen traumatischen Erinnerungen verliert. Und dann schien durch die Erwachsene auf der Bühne plötzlich das kleine Mädchen durch, das hilflos, überfordert, fast schon selbst traumatisiert die Zustände des Vaters miterlebt und sein Verhalten ebenso wenig verstehen kann wie seine Geschichten aus dem Lager. Vor dem inneren Auge des Publikums ließ Gilla Cremer die unheile Kinderwelt ebenso erstehen wie die unheilvolle Welt des KZs.

Das Urteil der vier Schülerinnen und Schüler am Ende dieses Abends: Das Stück bot einen wichtigen und eindrucksvollen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Zeit und den unmenschlichen Praktiken des Nationalsozialismus. Vor dem Hintergrund aktueller politischer Tendenzen und Debatten hätte diese Darbietung definitiv mehr Publikum verdient – da waren sich die vier einig.

Text und Foto: Frank Krattinger, Plakat: Gilla Cremer

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